Kindern Teilhabe ermöglichen
Die Sprach- und Lesekompetenz von Kindern nimmt stetig ab; die Schulen können das Defizit nicht mehr auffangen. Jetzt hat sich im Würmtal der Verein „LeseEulen“ gegründet, der das Problem systematisch angehen will.
Sprachkompetenz und flüssiges Lesen sind Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe, Chancengleichheit, erfolgreichen beruflichen Werdegang und nicht zuletzt Integration. Und just bei diesen Schlüsselkompetenzen gibt es enorme Defizite. „Die Kinder tun sich immer schwerer mit dem Lesenlernen“, sagt die ehemalige Schulrektorin Anita Bock. Und Nikola Kurpas, Leiterin der Grund- und Mittelschule Lochham, bestätigt: „Wir reißen uns in allen Schulen die Beine aus, und doch gibt es viel zu wenig Leseförderung.“ So ist es kein Wunder, dass der in Gründung befindliche Verein LeseEulen seinen Ursprung just dort hat, wo das Problem offenbar wird: in den Schulen.
Zwei ehemalige Rektorinnen und eine aktuelle, eine Sozialpädagogin, ein ITler und eine Buchhändlerin bilden den Vorstand der LeseEulen. Sie alle eint der Wille, Kindern den Weg in diese Gesellschaft zu ebnen. Die Vielfalt, auch die innere Spannbreite in den Klassen sei in den letzten Jahren wesentlich gewachsen, gerade auch in Gemeinden wie Gräfelfing. Kurpas: „Es gibt in jeder Klasse extrem geförderte Kinder und einige ganz ohne Unterstützung.“ Das hänge maßgeblich davon ab, ob die Eltern die Zeit und Voraussetzungen hätten, die Kinder an Bücher, an das Lesen und somit ans Verstehen und Lernen heranzuführen. Und mit 25 oder mehr Kindern in einer Klasse sei es den Lehrern schlicht nicht möglich, allen Kindern die erforderliche Unterstützung zu geben.
Die Situation hat mit der Migration zu tun, aber nicht nur. Schließlich gebe es auch viele Jugendliche, die als angehende Azubis größte Probleme mit schulischer Grundbildung hätten, sagt Sozialpädagogin Lore von Véver. Die neuen Medien mit ihrer typischen Kommunikation, nicht zuletzt „eine Flut von Hörspielen“, hätten eigene Lesekompetenzen zurückgedrängt, so Carmen Fröhler.
Zwar gibt es seit vielen Jahren auch im Würmtal ehrenamtliche Lesepaten. Doch das laufe eher nebenher, hänge von Einzelpersonen ab, sei unsystematisch, folge keinem fundierten pädagogischen Konzept, sagt Nikola Kurpas. All das will der neue Verein leisten. Die bisher zehn Mitglieder wollen möglichst schnell Ehrenamtliche akquirieren, sie ausbilden, organisieren, mit Material ausstatten und ihre Implementierung in den Schulalltag begleiten. Konkret würde zum Beispiel einer der Lesepaten während des Unterrichts ein oder zwei Kinder gesondert betreuen. Ihnen in der ersten Klasse vorlesen, in der zweiten Klasse mit ihnen Lesen lernen und das Textverständnis üben, auf ihre spezifischen Probleme eingehen. Und ganz nebenbei die Lehrkraft entlasten. Mit der Sprachförderung wollen die LeseEulen bereits im letzten Kindergartenjahr ansetzen.
Als erste Schule, die die Hilfestellung des Vereins ab September implementieren wird, steht selbstredend die Grundschule Lochham bereit. Doch gibt es bereits drei feste Anfragen und auch weitergehendes Interesse von Schulen. Der Bedarf ist nicht das Problem, eher die Geschwindigkeit, genügend Ehrenamtliche zum Einsatz zu bringen. Deren Fortbildung soll kein Geringerer übernehmen als Richard Sigl, der ehemalige LMU-Dozent, der sich mit Förder- und Leseprogrammen einen Namen machte.
Derweil gibt es für den Vereinsvorstand viel zu tun. Ein erster Flyer liegt im Konzept vor und muss gedruckt werden, die Homepage befindet sich im Aufbau, der Eintrag ins Vereinsregister liegt beim Finanzamt. Die Resonanz bei möglichen Helfern ist, bevor der Verein überhaupt in die Werbung gegangen ist, bereits vielversprechend. „Mehrere Personen haben von sich aus angeboten, mitzumachen“, sagt Buchhändlerin Susanne Trenkle. Und Gründungsmitglied Ute Sturm bestätigt, sie sei schon auf der Straße diesbezüglich angesprochen worden. Interessenten können sich ab sofort unter Telefon (089) 18 94 66 70 an Nikola Kurpas wenden oder eine Mail an info@leseeulen.de schicken.

Erste Mitgliederversammlung der „LeseEulen“ (v.l.): die Gründungsmitglieder Ute Sturm und Lore von Véver sowie Susanne Trenkle (Beisitzerin), Peter Lutz (Schatzmeister), Carmen Fröhler (stellvertretende Vorsitzende), Anita Bock (Vorsitzende) und Nikola Kurpas (Schriftführerin). © Dagmar Rutt